Armutszeugnis des deutschen Journalismus
In meiner Twitter-Timeline lese ich spätestens seit gestern ständig Kommentare zu den Aufständen in Ägypten. Die meisten referieren auf den arabischen Nachrichtensender Al Jazeera. Das deutsche Fernsehen plätschert hingegen weiter mit US-Filmen, US-Fernsehserien, Kochsendungen und Wintersport vor sich hin.
Im Nahen Osten brennt die Hütte und in Deutschland interessiert sich wohl niemand dafür. Gestern Abend las ich dann in Zeit.de, FAZ.net und der Onlineausgabe der Frankfurter Rundschau über die Proteste nach. In meinem Twitter-Stream wurde da gerade das Gerücht gestreut, Mubarak wäre geflohen. Bei der Zeit und der FAZ bekam man zwar den Eindruck, in Ägypten würde etwas Ungewöhnliches abgehen, es sei aber alles nur halb so schlimm. Hielt man dann den Artikel der FR dagegen konnte man den Eindruck gewinnen, der Gegenstand sei ein anderes Land.
In den letzten Wochen gab es fast täglich Sondersendungen im deutschen TV wegen des Winterwetters. Man faßte nicht, daß es mal schneien konnte. Aktuell steht eine zweite Revolution in Nordafrika an und keinen interessiert es. Vielleicht, weil es da nicht schneit?
Es gäbe viel zu berichten und einzuordnen. Schließlich haben die USA und alle mit ihr verbündeten Länder die letzten Jahrzehnte alles getan, um das Mubarak-Regime am Leben zu halten. Obama und Hillary Clinton eiern in ihren Statements herum und unsere veröffentlichte Meinung spricht lieber von einem "autoritären" Regime als klar von einer Diktatur. Unsere politische Elite hat sicher Angst vor den Auswirkungen auf Israel.
Das sind alles Themen, die behandelt und durchdacht werden müßten. Ich dachte, die öffentlich-rechtlichen Sender hätten separate Infosender. Wo ist die 24-stündige Bearbeitung der Revolutionen in Ägypten und Tunesien in Phoenix und den anderen Sendern?
Es ist traurig, den aktuellen Zustand des deutschen Journalismus zu betrachten.