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F-LOG-GE

Responsive Webdesign – Fragen an unser Selbstverständnis

Responsive Webdesign ist kein kurzfristiger Trend wie die Tagclouds im Web 2.0, sondern der Beginn einer vollständigen Emanzipation moderner Websites vom Diktat der Ausgabegeräte. Deshalb erscheint mir eine Diskussion über unser Selbstverständnis als Webdesigner und Entwickler notwendig.

Nachdem sich Responsive Webdesign so weit etabliert hat, dass es zwischenzeitlich schon als Thema für Polemik taugte, ist es nun wieder an der Zeit, die Diskussionen mit unaufgeregtem Ton fortzuführen. Nils Pooker betrachtet den Designansatz grundsätzlich, abseits technischer Fragen, in einem zweiteiligen Gastartikel. Heute erscheint der erste Teil.

In fast allen Diskussionen fehlt mir die notwendige Fokussierung auf die Nutzer, also auf die Frage, wer was auf welchen Geräten vermutlich oder tatsächlich bevorzugt. Wir benötigen valide Zahlen und Fakten. Die bisher verfügbaren Daten beinhalten absolute Werte, die aber nur für global player wie Google, Amazon oder Ebay interessant sein dürften. Alle anderen Websites haben klar definierte Zielgruppen mit differenzierten Nutzungsverhalten. Grobe Richtungen der Nutzung lassen sich zumindest mit etwas Gehirnjogging und Erfahrungswerten evaluieren.

Die Frage nach der Zielgruppe war schon immer mit der Frage nach den angebotenen Inhalten verbunden. Heute und in Zukunft ist aber die Form der Nutzung dieser Inhalte entscheidend für die Planung und Umsetzung von Websites: die Zielgruppe splittet sich auf in die Generation Smartphone, in Tablet-Surfer und in die klassischen Desktop-Nutzer. Dieses Splitting wiederum erfordert eine Differenzierung der Inhalte, abhängig von den Anforderung und Erwartungen der Nutzergruppen.

Veränderte Anforderungen für Planung und Konzeption

Betrachtet man die Anforderungen an ein zeitgemäßes, modernes Webdesign, wird vor allem eines deutlich: streben wir bei jedem Projekt eine professionelle Lösung mit eindeutige Antworten auf die Frage an, was an Inhalten wie und für wen auf welchem Ausgabegerät präsentiert werden soll, müssen wir den bisherigen 0815-Workflow spätestens jetzt über Bord werfen. Der Ablauf "Grobkonzept > Photoshop > Frontend > Backend > Launch" wurde dem Web noch nie gerecht, nicht einmal zu Zeiten flexibler, mittels Prozentwerten ermittelter Tabellenlayouts. Es war und ist, das sollte man schon zugeben, immer nur schön bequem und schön auf den Pixel genau berechenbar. Dennoch: Was da als professioneller Workflow bezeichnet wird, war bestenfalls ein professionelles Durchwursteln.

Würde ein Designer die Zeichnung einer Blumenvase ohne weitere Angaben auf den Tisch einer Porzellanmanufaktur legen, könnte die Fertigungsabteilung den Auftrag dennoch abwickeln. Würde er aber anrufen und sagen "Das brauchen wir übrigens auch noch als Suppenterrine, als Eierbecher und als Badewanne", müsste er sich vermutlich auf ein unerfreuliches Gespräch mit der Fertigung gefasst machen.

Wir Webdesigner führen keine Gespräche. Die als Grafikzuweiser agierenden Agenturen und fixbreitenbewährten Photoshop-Künstler mussten sich bisher auch auf nichts gefasst machen. Es lief ja. Das heißt: sie lieferten, wir Webdesigner und Entwickler setzten um. Es läuft auch immer noch so weiter, während wir unsere bitteren Polemiken in Blogs verbreiten und das Elend unseres Schicksals an den Klagemauern von twitter und Facebook weinend betrauern.

Es ist höchste Zeit, Reste von Selbstmitleid durch Selbstbewusstsein zu ersetzen. Dazu gehört beispielsweise, den Auftraggebern und Agenturen das fixe Layout mit der Antwort auszutreiben, dass die Ansicht für einen Standard-Desktopbildschirm schon mal eine ganz nette Inspiration sei, wo denn aber all die anderen Layouts bleiben würden - versendet mit einem Handout, ein paar URLs aus dem Web und dem Rat, der Designer möge doch bitte einmal die angegeben Quellen und die Beispiele für RWD im Internet aufsuchen.

Nein, das ist keine Empfehlung für Arroganz. Wir sollten nur das verlangen, was wir selbst als Maßstab unserer Arbeit betrachten und was wir deshalb auch von Dritten für unsere Arbeit benötigen: Professionalität.

Dies ist ein Gastartikel von Nils Pooker. Nils arbeitete selbständig im Kunstbereich und ist seit 2001 freier Webdesigner. Er schreibt über Kundenkommunikation, Wahrnehmung und Webdesign.

Dies ist ein Archiv meines alten Weblogs, das von Oktober 2006 bis Dezember 2022 als Wordpress-Instanz existierte.