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F-LOG-GE

Opera wechselt die Browserengine

Opera hat heute eine mittelgroße Bombe gezündet: künftige Versionen werden nicht mehr durch die eigene Presto-Engine, sondern die Webkit-Engine und die JavaScript-Engine V8 angetrieben. Genauer gesagt wechselt Opera zu Chromium.

Als ich die Nachricht las, war ich hin- und hergerissen. Ist das nun eine gute oder schlechte Nachricht? Auf alle Fälle war es unterhaltsam, Twitter zu beobachten. Auch einige interessante Blogbeiträge wurden geschrieben. Ich finde es noch immer interessant, wieviele positive Betrachtungen Presto bekommen hat. Chris Heilmann stilisierte Opera zur ultimativen Testplattform, zum "Crockford unter den Browsern".

Lobeshymnen

Die Lobeshymnen mögen alle ihre Berechtigung haben. Vielleicht bin ich zu sehr pragmatisch denkend. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass ich im Gegensatz zu den vielen Lobhudelern auch praktische Arbeit im Web verrichte und nicht nur Schulungen und Vorträge mache. Denn für mich hat Opera bislang keine praktische Bedeutung.

[Anmerkung: Dieser Absatz scheint genügend Raum für Missverständnisse zu bieten, wie die Reaktion von Chris Heilmann in meinen Kommentaren zeigt. Ich möchte weder arrogant noch abwertend verstanden werden, einfach nur neutral beschreibend. Wie ich in meinen Kommentaren unten ausführe geht es mir nur um die Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis, die besteht und bestehen muss. Und in meiner Praxis habe ich kein Budget und keine Zeit für Opera. Die könnte ich mir nehmen, wenn ich mehr forschen würde. Tue ich aber nicht. Nur das ist mein Punkt.]

Natürlich habe auch ich Webseiten immer mal wieder in Opera betrachtet. Doch für Kunden war dieser Browser uninteressant. Opera ist ein Nischenbrowser. Testen in Browsern bedeutet Aufwand. Dieser will bezahlt werden. Doch Kunden wollen nicht für Tests in Browsern zahlen, die nur in homöopathischen Dosen in ihren Statistiken auftauchen. Für mich waren zudem Tests immer schwer, weil es eigentlich keine Dokus über Bugs gibt. Und die immer wieder behauptete Unfehlbarkeit kaufe ich nicht.

Mobil

Auch die Info, dass Opera auf mobilen Endgeräten bedeutend ist, interessiert meine typischen Kunden nicht. Denn für Deutschland gilt dies nicht. Vielleicht für Afrika, Russland oder Asien. Aber nicht für Deutschland. Da dominiert Webkit. Und in den Gedanken der Verantwortlichen gibt es sowieso hauptsächlich iPhone und iPad.

Entwickler scheinen da nicht anders zu funktionieren. Das haben wir gemerkt, als Mozilla und Opera verkündeten, auch das "-webkit"-Prefix in ihre (mobilen) Browser zu implementieren. Denn leider waren immer mehr Entwickler in den letzten Jahren zu faul, CSS3 für alle Browser zu schreiben. So wie wir früher für den IE "optimierten" kümmerten sich viele Entwickler nicht mehr um Nicht-Webkit-Browser. Entwickler schufen aus Faulheit und Ignoranz einen Quasi-Standard. Das kann man gerne kritisieren, aber es ist ein Fakt mit dem wir umgehen müssen.

Apple

Obwohl Apple schon länger kein für mich sichtbares Engagement bei Webkit mehr zeigt, so hat doch gerade diese eine Firma den Boden für die starke Bedeutung der Engine bereitet. Apple verbietet die Installation einer anderen Browserengine auf seinen iOS-Geräten. Apple kommt mit dieser Haltung seltsamerweise durch. Microsoft wäre mit einer ähnlichen Haltung vor diverse Gerichte gezogen worden. Die Konsequenz ist aber, dass auf dem kommerziell so wichtigen iOS nur Webkit läuft. Und dank der Marktmacht von Google wird Chrome sowohl auf dem Desktop, als auch auf Androidgeräten beliebter.

Viele Projekte

Webkit treibt zudem viele weitere Projekte an, wie node.js oder Phantom.js. Neben Adobe arbeitet sogar Microsoft ein wenig an der Weiterentwicklung der Browserengine mit. Neben den grossen drei Microsoft, Mozilla und Webkit konnte Opera auf dem Desktop einfach nicht reüssieren und wurde von iOS ferngehalten. Ich finde den Schritt mutig und konsequent.

Gut oder schlecht?

Ist es nun gut oder schlecht, dass Presto nicht weiterentwickelt wird?

Ich denke, es ist eine gute Entscheidung. Die Existenz von Opera auf dem Desktop war für mich als Entwickler und für meine Kunden quasi egal. Meine Erwartung ist nun, dass die Weiterentwicklung von Webkit noch schneller vorangetrieben wird. Meine Hoffnung ist, dass sich die Unterschiede zwischen den unterschiedlichen "Geschmacksrichtungen" von Webkit nach und nach verschwinden.

Chris Heilmann und andere heben hervor, dass der Wettbewerb für die Weiterentwicklung des Web ganz wichtig sei. Die Vergangenheit hat uns exakt das gelehrt. Da hat Chris recht. Denn erst durch Mozilla wurde Microsoft aus dem Schlaf gerissen und zur Innovation gezwungen. Ich behaupte sogar, dass nur durch Mozilla das moderne Web wie wir es geniessen möglich geworden ist. Wenn ich Recht habe ist das ist umso spannender, weil Opera schon lange vor Mozilla existierte. Doch Opera hatte nie den entscheidenden Einfluss, den Mozilla hatte. Ich spreche dabei nicht von der Ansicht von Entwicklern, sondern vom Endanwender. Wir können froh sein, wenn dieser den Browser kennt, mit dem er surft.

Fortschrittshemmnis Microsoft

Ich freue mich darauf, dass dank Opera nun noch mehr Entwickler an Webkit arbeiten. Innovation passiert hier durch die unterschiedlichen Firmen, die alle ihre eigene Agenda verfolgen. Bleiben noch Microsoft und Mozilla als Wettbewerber. Technisch ist dabei nur Mozilla interessant. Denn obwohl Microsoft offenbar nun endlich auch richtige Browser herstellen will, sind sie doch einfach zu langsam. Zudem sind Microsoft-Browser im wesentlichen in Firmen und Behörden wichtig. Doch da sprechen wir nicht von der neuesten Version. Wir sprechen auch nicht von einer Umgebung, die alle sechs Wochen ein wichtiges Update der Rendering-Engine erlauben würde.

Webkit und Mozilla können also so schnell voranschreiten, wie sie wollen. Wir als Frontendentwickler werden leider immer mit uralten Browsern kämpfen müssen. Wir werden sicher keine monolithische Browserlandschaft bekommen.

Ein paar interessante und lesenswerte Betrachtungen zur Causa Opera:

Dies ist ein Archiv meines alten Weblogs, das von Oktober 2006 bis Dezember 2022 als Wordpress-Instanz existierte.