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F-LOG-GE

Ich war beim "Barcamp Berlin 3"

Am letzten Wochenende fand in der Berliner "Hauptstadtrepräsentanz" der Telekom das dritte Berliner Barcamp statt. Es war das größte seiner Art in Deutschland. Gut 600 Interessierte hatten sich angemeldet. Ob alle kamen liess sich in diesem gewaltigen Gebäude nicht schätzen.

Die Organisation war perfekt. Ein großes Lob an alle Beteiligten, allen voran Tobias Kaufmann. Es gab ständig Nachschub an Essen und Getränken. vor allem der Kaffee (bei anderen der Tee) ist dabei sehr wichtig. Die Organisatoren hatten offenbar aus anderen Barcamps gelernt. Zum einen gab es dreissigminütige Pausen zwischen den Sessions. Sie liessen genügend Raum für Gespräche und verlängerte Sessions. Zum anderen fiel eine explizite Mittagspause weg. Das alles war sehr gut. Ebenso angenehm und nützlichs fürs Netzwerken war die große Lounge in der Eingangshalle. Bei mir bleibt aber alles in allem ein sehr gemischtes, eher negatives Gefühl übrig. Ja, es hat Spaß gemacht, altbekannte und neue Leute zu treffen. Die Anzahl der Teilnehmer war allerdings so enorm, daß man - unterstützt von der Wuchtigkeit des Gebäudes - keinen Überblick bekommen konnte. Ich fühlte mich das erste Mal auf einem Barcamp fast verloren.

Die auf den ersten Blick pfiffige Idee, einen großen Raum nur mit Sichttrennern in mehrere kleine Räume zu unterteilen, ging komplett nach hinten los. Nur in den äußeren "Räumen" konnte man jemanden verstehen. In den großen inneren Räumen war dies oft nicht möglich. Interessant war hier mal wieder der Unterscheid zwischen Deutschen und Nicht-Deutschen. Ich habe schon lange den Eindruck, daß vor allem Briten und Amis schon früh die Kunst des Vortragens üben und dann auch beherrschen. Die wenigsten Deutschen können dies. Weder in der Schule, noch in der Uni wird dies gelehrt und wirklich geübt. Man merkte es. Die Deutschen waren gerne sehr leise. Dafür hörte man den freundlichen Ami oder Briten von nebenan.

Ein internationales Barcamp hat seine Tücken. Natürlich ist es auch mal nett, einem Spanier oder Briten zuzuhören. Der hat möglicherweise eine andere Sichtweise auf das Medium. Aber der Austausch in einer fremden Sprache ist nicht jedermanns Sache. Das konnte man mal wieder beobachten. Einige Sessions wurden explizit als deutschsprachig angekündigt. Nur selten machte dies, wie bei rechtlichen Themen, Sinn. Und wenn dann die Existenz eines einzigen Zuhörers die anderen dreissig dazu nötigt, in Englisch radezubrechen, dann stört dies meist die Substanz der Session. Auf alle Fälle hemmt es Spontaneität.

Die letzten beiden Punkte sind natürlich kein primäres Problem des Barcamps. Sie sind vielmehr ein schlechtes Zeichen unseres Bildungssystems. Das kann aber dummerweise durch ein einziges Barcamp nicht verbessert werden. Deshalb hat für mich ein internationales Barcamp auf deutschem Boden eindeutig seinen Reiz verloren. Lieber nicht nochmal.

Die Zahl der Sessions war immens. Am Samstag liefen bis zu neun Sessions parallel. Ich hatte offenbar eine unglückliche Auswahl getroffen, denn es gab einige wirklich begeisterte Teilnehmer. So richtig begeistert hat mich hingegen keine einzige Session. Auch meine eigene nicht. Es fehlte das Neue, das Revolutionäre. Möglich, daß ich da die falschen Entscheidungen traf. Oft waren wir auf VHS-Niveau unterwegs - mal wieder. Manchmal gab es interessante Diskussionen. Ich bin bspw. froh, in der Session über Scrum und Agile Methoden gewesen zu sein. Das war eine echte Diskussion, kein Frontalvortrag. Aber oft war es doch nur mal wieder eine "Einführung in ****" und die immer wieder beliebten und noch immer sinnfreien SEO-Vorträge. Ich glaube, eine Session über Linkfarmen war auch dabei. Suuuper.

Leider vergab auch der Gastgeber eine prima Chance. Es stellte sich eine kleine Truppe von Enthusiasten vor, die den magentafarbenen Riesen moderner machen wollen. Bei der Telekom sollen offene APIs eingeführt und beworben werden. Der Chef der Truppe sprach aber erstmal eine Viertelstunde so, als müßte er uns "Web 2.0", "walled gardens" und "API" erstmal erklären. Offensichtlich nutzte er eine interne Präsentation für Menschen, die sich das Internet immer ausdrucken lassen. Als er dann für technische Details an einen Teschniker weiterreichte, war für mich die Sache vorbei. Selbst in der zweiten Reihe verstand man das Flüstern dieses verschüchterten Bubis nicht. Abseits dieses akkustischen Details zeigte mir diese Session aber, daß der Redner sein Publikum nicht kannte und nicht einschätzen konnte. Ein wenig mehr Anspruch wär besser gewesen.

Obwohl mir die vielen Gespräche gefallen haben, ist mein Eindruck im Großen doch eher negativ. Denn im Gegensatz zu meinen vergangenen Barcamps hat mich nichts wirklich begeistert, nichts überrascht, nichts inspiriert. Dafür war es möglicherweise zu groß und traf immer die falsche Auswahl oder aber das Niveau sinkt doch ganz deutlich. Ich habe dies ja auch schon bei unseren Frankfurter Webmontagen festgestellt.

Ich hoffe auf ein kleineres Barcamp und ein spezialisiertes wie das Devhouse. Ich gebe die Barcamp-Idee nicht auf, dafür war ich auf zu vielen guten. Aber ich sehe eine Mammutveranstaltung wie das in Berlin mittlerweile viel kritischer. [Bei Flickr gibt es übrigens viele Bilder vom Barcamp.]

Dies ist ein Archiv meines alten Weblogs, das von Oktober 2006 bis Dezember 2022 als Wordpress-Instanz existierte.