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F-LOG-GE

Accessibility - Barrierefreiheit - Zugänglichkeit

Logo der Blogparade zum Thema AccessibilityDie österreichische Initiative MAIN_web hat mich zur Teilnahme an der "Accessibility Blog Parade" eingeladen. Eine für mich ungewöhnliche Einladung, die ich gerne annehme. Ungewöhnlich finde ich sie deshalb, weil Barrierefreiheit nicht zu meinen Kernkompetenzen gehört. Unwissend bin ich diesbezüglich trotzdem nicht. Ich nähere mich der Thematik einfach anders, als meine zahlreichen Bekannten und Freunde, die das Thema zu ihrer Kernkompetenz zählen.

"Barrierefreiheit" ist eine im Ergebnis unglückliche Übersetzung des englischen Begriffes "Accessibility". Man hätte ihn besser mit "Zugänglichkeit" übersetzt. Ich kann es mir nur mit (organisations-)politischem Willen erklären, daß die moralisch hoch aufgeladene Übersetzung gewählt wurde. Mein Einwand mag kleinkrämerisch erscheinen, ist es aber nicht. Denn dieser moralisch hoch aufgeladene Begriff läßt Diskussionen anders laufen, als würde man über "Zugänglichkeit" sprechen. Zudem wird fälschlicherweise meist davon ausgegangen, daß es sich bei barrierefreien Seiten immer um "blindengerechte" Seiten handelt. Dem ist nicht so, die Blinden scheinen nur die aktivste und durchsetzungskräftigste Lobby zu haben. Aber gehen wir mal einen Schritt zurück. Worum geht es eigentlich? Die Grundidee von Accessibility ist, daß der Inhalt einer Webseite grundsätzlich immer erreichbar sein soll. Unabhängig davon, ob ich blind, sehend, spastisch gelähmt oder Mr. Google bin, soll ich Zugriff auf die Inhalte einer Webseite haben. Ist das nicht eigentlich im Sinne der Webseitenbetreiber? Es vergrößert schließlich die Reichweite ihrer Seite.

Mein Bestreben ist es, Webseiten zu entwickeln, die möglichst wenige Barrieren besitzen, auch ohne den Stempel "Barrierefrei" direkt anzustreben. Ich bevorzuge den Begriff der "Barrierearmut", den ich für weniger moralisch halte und zudem für realistischer. Denn eine "Freiheit von Barrieren" kann ich mir im Web im wörtlichen Sinne niemals vorstellen. Spätestens bei der Forderung nach "Leichter Sprache" sollte deutlich werden, daß fast keine Webseite einem solchen Test standhalten würde - weder dieses kleine Weblog noch eine Tageszeitung.

Ein weiteres tägliches Problem ist die Frage, wieviel Spaß an dynamischen Oberflächen möchte und kann ich mir und meinem Kunden im Namen der Barrierefreiheit/Zugänglichkeit verwehren?

Ich stehe derzeit auf dem Standpunkt, daß ich mir mit Rücksicht auf eine kleine Minderheit nicht komplett den Spaß am Internet verderben lassen will, nur weil die technischen Hilfmsittel wie Screenreader technisch noch weiter hinter den Notwendigkeiten hinterher hinken, als es die Browser tun. Ich möchte aber auf der anderen Seite auf keinen Fall diese Minderheit ignorieren! In gewissem Sinne ist dies ein Spagat.

Barrierefreie Webseiten zu erstellen ist keine leichte Aufgabe. Noch weniger läßt sie sich automatisieren. Auch wenn uns dies geschickte Werber von CMS-Herstellern oder Agenturen gerne weismachen wollen. Eine barrierefreie Webseite nach den Regeln der Kunst ist das Ergebnis eines längeren Prozesses, an dessen Anfang eine gute Planung und an dessen Ende eine gute Einweisung der mit der Seite arbeitenden Menschen stehen sollte. Dazwischen existieren viel Fingerspitzengefühl für die die Details guten Codes, das wache Auge auf die Validität desselben und vor allem eine Menge Tests mit Betroffenen. Ein einfache technische Analyse durch Testtools beweist nur, daß die Seite von diesen Tools akzeptiert und verstanden wird. Das Ergebnis sagt noch nichts über die Rezeption durch einen Blinden, Spastiker oder Farbenblinden aus.

Mein Wunsch für die Zukunft des Web ist, daß sich mehr Entwickler und Grafiker mit der Frage beschäftigen, wie wir es schaffen, daß möglichst viele Inhalte im Web auch für Behinderte einfach zugänglich sind. Dabei sollten wir möglichst ohne moralischen Zeigefinger und mit einer gesunden Portion Pragmatismus vorgehen. Ich wünsche mir zudem, daß die Zugangsprogramme für das Web generell besser werden, egal ob es sich um Browser (hallo, Redmond!), Handys, PDAs oder Screenreader handelt.

Dies ist ein Archiv meines alten Weblogs, das von Oktober 2006 bis Dezember 2022 als Wordpress-Instanz existierte.