Edge kommt bald mit neuer Browserengine
Microsoft hat auf der MS Build einige sehr interessante Neuigkeiten vom Stapel gelassen. Für mich als Frontendentwickler ist der Wechsel der Browser-Engine von Edge die bedeutendste Entscheidung. Spannend ist dabei, dass es Edge demnächst auch für den Mac geben wird. Auch alte Windows-Versionen, nicht nur Windows 10, werden bedient. Und für die IT großer Unternehmen und Behörden, die alte IE-Versionen immernoch am Leben erhalten, wird sogar der IE 11 als Option in den neuen Edge integriert.
The Verge beschreibt, den langen Prozess zu diesem überraschenden Strategiewechsel, schliesslich hatte Microsoft den Browser erst von Grund auf neu geschrieben: Inside Microsoft’s surprise decision to work with Google on its Edge browser
Der WorkingDraft-Podcast hat ein Interview mit Chris Heilmann zu diesem Switch angekündigt. Am Rande der kommenden Beyond Tellerrand ist eine Aufnahme geplant. Ich bin gespannt, was uns Chris an Interna verraten kann und will.
Firefox ist nicht begeistert von Microsofts Wandlung hin zu Chromium: Google welcomes Microsoft’s move to Chromium, but Mozilla doesn’t. Mozilla spricht von einem "truely open web". Ich kenne diese Rhetorik und ich war auch früher selber Anhänger dieser Sichtweise. Aber ich beginne, eine andere Sichtweise zu entwickeln. Das liegt an meinen Argumenten in manchen meiner Schulungen.
Speziell in meinen Schulungen für Backendentwickler betone ich immer wieder den Unterschied zwischen Frontend und Backend: ein Backendentwickler weiss, in welcher Version seine jeweilige Sprache vom Server erwartet und interpretiert wird. Es gibt dabei nur ein Gegenüber und dieses beherrscht 100% des möglichen Sprachumfanges. Und das auch noch fehlerfrei. Im Frontend sind wir weit davon entfernt.
Es gibt keinen Browser, der 100% HTML, CSS und JS beherrscht. Und gäbe es zwei von diesen Browsern, sie würden sich in vielen Details unterscheiden. Denn die Standards sind nicht immer eindeutig formuliert, lassen Interpretations- und Implementierungsspielraum. Am Auffäligsten ist dies sicherlich bei den modernen Formularelementen. Die Input-Typen "number" und "color" beispielsweise werden von den Browsern auf den jeweiligen Plattformen komplett unterschiedlich unterstützt. Die Diskrepanzen zwischen den Browsern sind teilweise immens.
Wäre es da nicht ideal, wir hätten einen Browser, der möglichst komplett ist? Wäre es nicht sinnvoller, anstatt des Wettbewerbs auf eine Kooperation zu wechseln? Denn im Grunde gibt es für die Darstellung der Webtechnologien keinen Wettbewerb. Es gibt einen Standard für jede Sprache und es wäre hilfreich, wenn alle Browser sie gleichartig beherrschen würden. Tools wie jQuery, die Browserbugs und Inkonsistenzen beseitigen, wären nutzlos.
Wenn alle Browserhersteller an grundsätzlich der gleichen Codebasis arbeiten würden, käme am Ende für die Nutzer ein gleichmässig gutes Ergebnis heraus - so die Theorie. Der Wettbewerb hat auch im Jahr 2019 noch immer keine perfekten und gleichen Browser gebracht. Aber eigentlich sollten wir dies anstreben. Die Browser würden und sollten sich durch die Oberfläche und Komfortfeatures unterscheiden, aber nicht durch den Kern, der HTML, CSS und JS interpretiert.
Eine gemeinsame Basis würde es auch schwieriger für Google machen, die anderen Browser bei der Nutzung der Suche und von Youtube stark zu benachteiligen, so wie es aktuell der Fall zu sein scheint.
Uns Frontendentwicklern würde einiges an Arbeit wegfallen, wenn es keine grundsätzlich unterschiedlichen Browser mehr gäb, aber niemand würde sich ernsthaft deshalb grämen. Eventuell wird Mozilla in ein paar Jahren auch den Switch zu Chromium machen, rein aus wirtschaftlichen Gründen. Der einzige Problem-Bär wird auf absehbare Zeit Apple bleiben. Die schotten sich kommunikativ ab und sind kein Paradebeispiel für Zusammenarbeit.
Sollte Microsoft eine Erfolgsgeschichte aus dem Wechsel zu Chromium machen, werden sicherlich Mozilla und Apple unter Druck geraten und ihre jeweiligen Geschäftsmodelle überdenken müssen. Denn natürlich geht es bei all dem ums Geschäft. Nur fürs gute Karma werden sicherlich nicht so viele Ressourcen auf die Entwicklung von Browsern verwendet.
Und vielleicht hat nur Microsoft mit dieser Entscheidung die Chance, die Vormachtstellung von Chrome zu brechen, zumindest zu minimieren.
Zum Abschluss noch ein paar gesammelte Linktipps zu den Veränderungen des Edge-Browsers:
- Microsoft is building Internet Explorer into its new Chromium Edge, adding new features
- Microsoft Edge – All the news from Build 2019
- Microsoft Edge with Internet Explorer Mode
- Microsoft Edge and Chromium: A rising tide lifts all boats
- State of the browser: Microsoft Edge - BRK2022
- Google I/O 2019: What's new with Chrome and the Web
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