Berufliche Kompetenz

Ich bin immer wieder erschüttert, wenn ich Menschen sehe, die in ihrem Beruf teilweise versagen, aber trotzdem eine wichtige Position einnehmen. Und diese Menschen sind so selbstbewußt, ihr eigenes Versagen nicht zu bemerken und zu ignorieren.

Das jüngste Beispiel fand in der Bundespressekonferenz statt. Dort gab es einen Zwergenaufstand einiger „Hauptstadtjournalisten“, weil der mittlerweile auch nicht mehr neue Regierungssprecher Seibert es gewagt hatte, einen Termin der Kanzlerin zu twittern. Man vermutete Verrat, denn schließlich wollte man doch die altgewohnten Kommunikationskanäle Telefon, Fax und (wie modern !) E-Mail nicht verlassen.

Es entspann sich eine lange Debatte über Sicherheit von Twitter, Exklusivität von Kommunikationskanälen usw. Ich denke, wir können froh sein, daß unsere journalistische „Elite“ nicht auf der Kommunikation mittels Steintafeln oder Brieftauben besteht.

Nach fünf Jahren der Existenz von Twitter gibt es also noch Journalisten, die Twitter nicht bedienen können oder wollen? Das ist armselig. Was ist denn genau ihr Job? Sie sollen Informationen sammeln, aufbereiten und zur Verfügung stellen. Über welche Kanäle das geht ist den Zeiten geschuldet. E-Mail und Fax sind heute normale Kommunikationskanäle, genau wie Twitter. Nicht jeder nutzt Twitter, aber auch nicht jeder nutzt ein Fax. Ich selber besitze keins und vermisse auch keins. Wo ist also das Problem, sich einer neuen Technik ganz selbstverständlich zu bedienen?

Als zweites Beispiel bieten sich immer wieder Politiker an, die nicht richtig reden können. Nehmen wir einen x-beliebigen Politiker, der eine Rede in einem Parlament hält. Es wird leider viel zu oft vorkommen, daß die Rede leblos vom Blatt abgelesen wird. Freie Rede ist ein Fremdwort. Noch viel schlimmer ist es allerdings, wenn diese Politiker nicht einmal richtig Deutsch können. Ich rede nicht von der bajuwarischen Sprachfärbung von CSU-Politikern. Insbesondere Schwaben scheinen extreme Probleme mit dem Hochdeutschen zu haben. Oder hat schonmal jemand einen zweifelsfrei verständlichen Satz von Frau Homburger (FDP-Fraktionsvorsitzende) oder Herrn Oettinger (Ex-Ministerpräsident, jetzt EU-Kommissar) gehört?

Kommunikation ist deren Job. Für eine gelungene Kommunikation muss man allerdings auch verstanden werden. Da kommt es schlecht, wenn man nuschelt bzw. nicht einmal ansatzweise Hochdeutsch beherrscht. Bei einem Bauern auf dem Mainzer Wochenmarkt finde ich das okay. Aber bei einem Spitzenpolitiker finde ich das nur arm. Die können und sollten sich einmal einen Sprachkurs leisten.

Vor Jahren plakatierte die CDU-Mainz für eine Veranstaltung mit dem Titel „Deutsch als Schlüssel zur Integration“. Ich habe das immer als Drohung gegen die Mainzer Bauern empfunden. Es scheint auch eine Drohung gegen manche Politiker zu sein, die maximal in ihrer Heimatregion integriert sind und dort verstanden werden. Unsere Schulen scheinen auch in der Vergangenheit im Bezug auf Sprachkompetenz eklatant versagt zu haben. Sehr traurig.

4 Kommentare

  1. Wenn sie schon keine Leser über Google gewinnen wollen, dann wollen sie sie schon gar nicht über Twitter verlieren. Ist doch klar 🙂

  2. Tja, das mit der freien Rede von Politikern hätte so seine Tücken … dann müsste man sich selbst Gedanken über das machen, was da so den Kopf durch den Mund verlässt. Man müsste es im eigenen Gehirn produzieren. Das Ablesen vom Blatt vereinfacht da doch einiges: ein direkter Transfer vom Auge zum Mund erspart dem Gehirn viel Arbeit. Und wer glaubt noch, dass der abgelesene Text dem Hirn des vortragenden Politikers entsprungen ist, denkt bei Ghostwriter auch noch an das Sequel zu Ghostbusters.

    So ähnlich wird es bei manchen Journalisten und Twitter sein. Aus 140 Zeichen kann man schlecht einen halbwegs sinnvollen Artikel zimmern. Da eignen sich die Vorlagen per Fax oder Mail schon besser. Copy & Paste lassen grüßen 😉 Bei der Weiterverarbeitung von Twitter-Inhalten müsste man selbst formulieren, argumentieren, priorisieren. Viel zu mühselig.

  3. Berufliche Kompetenz ist heutzutage nicht mehr wichtig. Viel wichtiger ist, das man „politisch korrekt“ ist. So kommen Personen, die das „richtige“ sagen, sehr viel weiter als qualifizierte Menschen, die unverblümt einfach nur die Wahrheit sagen.

    Und wer die politisch nicht korrekte Wahrheit sagt, wird von den Medien dann gleich mal einen Kopf kürzer gemacht.

    Traurig, aber leider Realität in diesem Land.

  4. Wie heißt’s so schön im Peter-Prinzip: In einer Hierarchie steigt jeder bis zum Level der eigenen Inkompetenz auf. 😉