Responsive Webdesign – Aspekte eines neuen Workflows

Neben der Bequemlichkeit waren es vor allem die Entscheidungswege, die bisher einen geänderten Workflow verhindert haben. Auf dem Weg zum Launch ist der Webentwickler das letzte Glied in der Nahrungskette, vergleichbar mit einem fähigen Pathologen, der zwar alles kann, jede Fehldiagnose und jeden Kunstfehler seiner Kollegen erkennt, aber selbst immer zu spät dran ist.

Nils Pooker betrachtet Responsive Webdesign grundsätzlich, abseits technischer Fragen, in einem zweiteiligen Gastartikel. Heute erscheint der zweite Teil.

Kooperation statt Handlungsanweisungen

Als erster Entscheider ist der Kunde derjenige, der aus Unwissenheit unprofessionelle Vorstellungen kommuniziert. Projektleiter oder Konzepter verfügen ebenfalls nicht automatisch über ausreichendes Wissen bezüglich der Webentwicklung und überlassen leider noch zu oft dem Designer und nicht dem Entwickler den nächsten Schritt. Sobald der ausgearbeitete Entwurf dem Kunden per Ausdruck oder als Bilddatei zur Abnahme präsentiert wird, ist alles zu spät: der Webdesigner oder Entwickler erhält dann die Aufgabe, irgendeine Lösung aus diesen Vorgaben zu zaubern, die professionell zu nennen nur in seltenen Fällen berechtigt ist.

Es gilt, in die Entscheidungswege einzugreifen. Kunde, Projektleiter, Konzepter und andere Entscheider müssen im Vorfeld der Umsetzung verstehen, dass nicht nur die „Standardbildschirmgröße“, sondern auch „der Monitor“ als singuläres Ausgabegerät Geschichte ist. Dazu gehört auch die Aufklärung, dass „Nutzerverhalten“ ebenfalls als neue Variable abhängig vom Ausgabegerät differenzierter zu analysieren ist als vor wenigen Jahren.

Daraus folgt, dass eine viel engere Verzahnung der Beteiligten bei einem Workflow notwendiger ist als je zuvor. Nur diese Zusammenarbeit ermöglichst einen zeitgemäßen Workflow, der im eigentlichen Sinne des Wortes als Entwicklung eines Projektes von vornherein gemeinsam geplant werden muss.

Photoshop und alle anderen Bildbearbeitungswerkzeuge werden weiterhin ihre Berechtigung haben, nämlich als Bildbearbeitungswerkzeuge, als die sie auf den Markt gebracht wurden. Für das Web benötigen wir andere Werkzeuge. Seit Jahren reden wir über Prototyping, genauso lange arbeiten wir weiter mit fixen Layouts und freuen uns wie die Schneekönige, wenn der E-Mail-Anhang keine Powerpoint- oder Word-Datei ausspuckt; wir nennen uns Webdesigner oder Webentwickler und sind doch oft nichts anderes als menschliche Konvertierungsmodule, die Grafiken umsetzen und das Logo einen Tick, einen Hauch oder, exakt abgemessen, genau vier Millimeter weiter nach links verschieben sollen.

Was ist zu tun?

Aus dem bisher gesagten wird deutlich, dass Responsive Webdesign, genauso wie die Barrierefreiheit, in die Planungsphase gehört. Ein Verschieben in die Konzeptions- oder gar in die Umsetzungsphase würde die alten Probleme nicht beseitigen, sondern nur innerhalb des Workflows verlagern.

Es ist auch weiterhin ok, ein fixes Layout in der klassischen Standardbreite von 960 Pixel zu entwerfen, wenn es die zusätzlichen Layouts für Tablet und Smartphone gibt – vorausgesetzt, die Layouts definieren nicht den Projektbeginn und werden auch nicht an Front- und Backend vorbei entwickelt und abgesegnet. Solange alle Beteiligten in diesen Layouts das sehen, was sie sind, nämlich visuelle Hilfen, die weder das Verhalten einer Website, noch eine browserübergreifende Verbindlichkeit besitzen, können wir weiterhin mit diesen Layouts arbeiten.

Neben der finalen „Reinzeichnung“ – also das Design fürs Web – sollte auch schon das Wireframing zur Positionsbestimmung der Inhaltselemente so früh wie möglich im Umfeld von HTML-Prototypen ausgeführt werden. Dafür sind CSS-Frameworks, ja, sogar klassische WYSIWYG-Editoren wie Dreamweaver oder deren Online-Äquivalente bestens geeignet. Ich selbst arbeite mit YAML und Thinkin’Tags, es gibt aber genügend andere Tools, Frameworks und Arbeitsweisen, mit denen ein zeitgemäßes Prototyping funktioniert.

Die Ergebnisse der Planung sind auch für die Konzeption entscheidend. Für eine performance- und inhaltsorientierte Mobile-First-Variante bietet sich beispielsweise der Ansatz von Progressive Enhancement an, für ein designlastiges Verkaufsportal für Apple-Freaks oder Software ist das Konzept von Graceful Degradation besser geeignet. Steht am Ende der Planung gar die Entscheidung für eine nicht responsive Website plus eine mobile Lösung, ist auch das zu akzeptieren.

Als Webdesigner haben wir die Aufgabe, den Grafikdesignern, Kunden und Entscheidungsträgern dabei zu helfen, das Web zu verstehen. Fähige Grafiker sind weder ignorant noch begriffsstutzig, ansonsten wären sie ihren Job schnell los. Diese Aufklärungsarbeit müssen wir auch gegenüber unseren Kunden und den Entscheidungsträgern in Agenturen leisten. Die Prämissen mögen unterschiedlich sein, aber alle haben dasselbe Ziel: die professionelle Website.

Dies ist ein Gastartikel von Nils Pooker. Nils arbeitete selbständig im Kunstbereich und ist seit 2001 freier Webdesigner. Er schreibt über Kundenkommunikation, Wahrnehmung und Webdesign.

4 Kommentare

  1. Der Begriff Webdesigner stammt meiner Erinnerung nach aus Anfangsboomzeit des Web.
    Damals war ich auch Webdedigner. Konzept, Grafik, Programmierung, Suchmaschinenoptimierung und Sekretariat. Die Onemanshow.
    Ich denke wir Professionisten sollten den Begriff Webdesigner zu Grabe tragen. Das Web ist differenzierter geworden und der Begriff WD wird der Realität nicht gerecht. Auch weil der Begriff mit einem schmuddeligen ichkannundmachdiralles Semiprofessionalismus in Verbindung gebracht wird und unserer Branche, die wirklich gute Fachkräfte hervorbringt, nicht gut tut.
    Ich selbst beschäftige heute Webentwickler, Screendesigner, Webkonzeptoren, Onlinemarketingmitarbeiter und Projektleiter.

  2. @Christoph: Vom Ursprung her hast Du Recht – die Schlussfolgerung würde ich so nicht teilen. Im Gegenteil wird durch responsives Webdesignja gerade die Trennung zwischen Screendesigner und …entwickler aufgehoben. tatsächlich ist ja gerade der Gedanke, wir würden „Screens“ oder „Pages“ produzieren das Problem. Tatsächlich produzieren wir Interfaces. Wenn schon, dann brauchst Du Interface-Designer, User Experience Designer, Interaktionsdesigner …

    Ich finde den Begriff Webdesigner gar nicht so schlecht – kommuniziert er doch, dass es eine eigen Designdisziplin gibt, die die Gestaltung von Websites betrifft – und es eben nicht einfach „Screendesign“ oder „Grafikdesign“ ist.

    Richtig ist allerdings, dass die Erwartungshaltung an „kleine“ Freelancer-Webdesigner oft ist, dass sie alles machen – vom Konzept bis hin zur Serverkonfiguration…

  3. Hallo Christoph,

    du hast schon recht, unsere Branche spezialisiert sich immer weiter, aber die von dir angesprochene Ungenauigkeit konnte und sollte hier nicht mein Thema sein. Ich differenziere ja schon zwischen Webdesigner und Entwickler (Front- und Backend). Der ebenfalls oft verwendete Begriff „Webworker“ wäre im RWD-Kontext zu ungenau gewesen, aber eine auch auf den Inhalt zu übertragene Differenzierung wie in deiner Aufzählung hätte wiederum den Umfang des ohnehin schon in zwei Teilen veröffentlichten Artikels gesprengt.

  4. Ja, wie immer ist es eben nicht so einfach. 🙂 Was von meiner Seite auf alle Fälle festzustellen ist, ist das interdisziplinäre Teams noch ein weiteres Stück zusammenrücken. Und ist ja grundlegend gut.