Wer braucht eine responsive Website

Mittlerweile gibt es an ein paar Stellen in Klein-Bloggersdorf eine teils erregte Diskussion über Sinn und Unsinn von Responsive Webdesign. Immer wieder wird dabei behauptet, das brauche nicht jeder und viele Kunden seien damit überfordert. Da diese Argumente auch nach mehrmaliger Wiederholung nicht besser oder valider werden, möchte ich sie noch einmal beleuchten.

Webseiten sind von Natur aus responsive

Schreibt man eine Webseite, ohne eigenes CSS hinzuzufügen, so passt sie sich an jede Umgebung automatisch an. Einzig Bilder und Videos benötigen eine sehr kleine CSS-Nachhilfe, um sich auch anzupassen.

Wenn unsere Webseiten sich also nicht einfach unserer Umgebung anpassen – wie meine eigene Seite leider noch immer -, dann sind unsere eigenen Designentscheidungen dafür verantwortlich. Diese Entscheidungen können anhand von Fakten getroffen worden sein oder einfach aus Bequemlichkeit oder weil eine emotionale Präferenz existierte.

Wir sind selber verantwortlich

Wir haben es also selber in der Hand, ob und in welcher Art und Weise wir den Zugang zu unserem Webangebot beschränken.

Wir müssen uns im Webdesign immer entscheiden, denn Design ist Entscheidung. Jeder Ansatz hat dabei Vor- und Nachteile. Es ist die Aufgabe der am Projekt beteiligten, diese abzuwägen und sich für eine ihnen angenehme Methode zu entscheiden. Es gibt nicht “die Wahrheit”, man muss einfach abwägen.

Es ist eine Tatsache, dass wir es heute mit einer unüberschaubaren Vielzahl an Endgeräten zu tun haben. Es ist ebenso eine Tatsache, dass diese einen immer größeren Anteil am Traffic haben. Aber ist genauso unstrittig, dass sich dieser Traffic nicht überall gleich verteilt.

Die Seite einer freien Bauchtanzgruppe dürfte prozentual weniger Smartphone-Nutzer haben, als die Seite einer Kommune. Eine interne Applikation für Vertreter hingegen mag davon profitieren, wenn man sich um Responsivität bemüht, weil sie dann neben dem Notebook auch prima auf einem Tablet-PC nutzbar ist.

Wir müssen einfach immer abwägen. Blinder Eifer für oder gegen Responsive Webdesign ist dabei nicht hilfreich. Eine offene und ehrliche Diskussion mit dem Kunden muss her.

Der überforderte Kunde

Der zweite Argumentationsstrang thematisiert den überforderten Kunden. Ich denke, ich trete niemandem zu nahe, wenn ich annehme, dass viele Entwickler und Designer den Kunden nur vorschieben, weil sie selber überfordert sind.

Responsive Webdesign erfordert ein komplettes Umdenken bei allen Beteiligten und für alle Phasen des Projektes. Das kann und will nicht jeder. Man kann es aber versuchen. Man kann mit dem Kunden über die Sinnhaftigkeit einer responsive Webseite sprechen. Sollte man zum gegenteiligen Ergebnis kommen, und dies nicht aus Angst oder Bequemlichkeit, dann ist es gut. Sollte man sich aber über das Ziel einig sein, dann wird der Kunde dies begreifen können.

Der Kunde versteht doch unsere Arbeit generell nicht. Das muss er auch nicht. Wir verstehen umgekehrt von so vielen Produktions- und Dienstleitstungsprozessen nichts, die wir trotz alledem nutzen. Wir müssen den Kunden informieren und anleiten. Ein tiefes Verständnis unserer Arbeit ist weder wichtig noch hilfreich. Deshalb ist das Argument, der Kunde verstünde Responsive Webdesign nicht, ein Scheinargument.

Wer ist die Zielgruppe?

Gerne wird die Zielgruppe unserer Arbeit verwechselt. Logischerweise zahlt unser Kunde für unsere Arbeit. Doch er ist nicht die Zielgruppe. Auch wenn er und unser Chef das glauben. Ich denke nicht, dass René Obermann für sich allein die diversen Webseiten des Telekom-Konzerns benötigt. Er und seine Vorstandskollegen könnten sicherlich auch gut ohne leben. Aber es ist für das Geschäft und deshalb für seine Kunden wichtig, dass die Telekom ein gutes Webangebot hat.

Das Ziel unserer Arbeit ist also immer der Endnutzer. Und sollte unser Kunde das vergessen oder ignorieren, ist es unsere Aufgabe, ihn daran zu erinnern. Sollte er sich dann doch dazu entscheiden, den Endnutzer zu ignorieren, dann ist es eine bewusste Entscheidung, die wir akzeptieren müssen. Wir haben zumindest versucht, den Fokus richtig zu setzen.

7 Kommentare

  1. Auf den Punkt gebracht.

  2. Danke für die sympatische Ausführung. Ich erlebe es genauso Tag für Tag. Und finde es OK.

  3. Prima Artikel, der die Kernargumente der aktuellen Diskussion noch einmal kurz und bündig zusammenfasst.

    Schwierig finde ich allerdings, die Antwort auf die Frage bezüglich der Notwendigkeit einer responsiven Website in den Zugriffszahlen zu suchen. Zwar lassen sich hier Trends bezüglich Nutzer und Nutzung ablesen, sie beschreiben aber immer eher den Stand „heute“. Betrachtet man in diesem Zusammenhang die rasante technische Entwicklung der letzten Jahre in diesem Bereich, wird klar: Prognosen darüber, wie Websites in Zukunft konsumiert und genutzt werden, sind immer auch eine Spur spekulativ. Vielleicht laufen wir, salopp formuliert, in 2 Jahren wirklich alle mit so einer beknackten Google-Brille durch die Gegend. Oder einem iMplantat. Oder was auch immer.

    Gerade aus diesem Grund würde ich auch der Bauchtanzgruppe zu einer responsiven Website raten. Hier kommt nämlich noch hinzu, dass die „Hohmpedsch“ wahrscheinlich nicht alle 6 Monate überarbeitet wird, sondern ein paar Jahre „halten“ muss. Wie aber sehen die Zugriffszahlen in 6 Monaten, in 1 Jahr, in 3 Jahren aus? Mit welchen Endgeräten, Displaygrößen, Auflösungen, etc. haben wir es dann zu tun?

    Wenn wir offen und ehrlich mit dem Kunden umgehen wollen, müssen wir ihn auch mit diesen Fragen konfrontieren.

    • Jens Grochtdreis

      16. August 2013 um 9:05 Uhr

      @Daniel: Ich gebe Dir recht, dass sich die Nutzungspräferenzen auch für die Besucher der Bauchtanzgruppe werden verschieben können. Wir wissen es nicht. Aber wir können auch dann immer bewusst entscheiden, dass uns das nicht interessiert, weil wir Aufwand und Geld sparen wollen.

      Meine Hoffnung ist, dass sich RWD in ein paar Jahren als Standard durchgesetzt haben wird und deshalb für die Bauchtanzgruppe kein unmäßiger Zusatzaufwand ergibt.

      Meiner Wahrnehmung nach sind wir aber noch lange nicht so weit. Damals bei der Ablösung der Layouttabellen haben die Rückzugsgefechte auch lange gedauert. Ich bin letztens erst wieder über eine relaunchte Seite in Tabellenlayout gestolpert. Und da handelte es sich um keine kleine Klitsche.

      Bei RWD haben wir ja die Herausforderung, dass sich alle Beteiligten an einen anderen Workflow gewöhnen müssen und vom Kontrollwahn Abschied nehmen müssen. Deswegen werden die Rückzugsgefechte sicherlich länger dauern.

  4. Danke für den guten Artikel!

  5. @Jens: Klar, der Aufwand ist bei einer responsiven Site sicherlich immer höher als bei einer „normalen“ Website. Womit wir um die Erkenntnis reicher werden, dass neben einem guten Designer und Entwickler, auch ein überzeugender Vertriebler / PM nicht schaden kann 😉

  6. Der Artikel spricht mir aus der Seele, mit diesen Diskussionen habe ich fast jeden zu tun.

    Weiter so!