Der IE8 kommt – Microsoft sucht Kontakt zu Entwicklern

Letzte Woche wurde die zweite Beta des kommenden IE8 veröffentlicht. Microsoft nahm das zum Anlass, den neuen Browser am Rande der IFA in Berlin auf zwei Veranstaltungen vorzustellen. Die Beta 2 ist feature-complete, es werden nur noch Performanceverbesserungen und kleiner Oberflächenänderungen vorgenommen.

Seit der Veröffnetlichung des IE7 führt Microsoft „Standardkompatibilität“ als Ziel und Anspruch vor sich herum. Zusammen mit dem Mantra „don’t break the web“. Sie meinen damit, daß neue Browserversionen nicht alte Seite „zerstören“ sollen. Wie bei den Officeporgrammen steckt da der Gedanke der Abwärtskompatibiliät dahinter. Leider vergessen sie dabei, daß sie es waren, die durch die zu lange Lebensdauer des IE6 das Web „zerbrochen“ haben. Man merkt allen Verantwortlichen an, daß sie diesen Umstand verstanden haben und das Problem lieber heute als morgen lösen möchten.

Es bleibt abzuwarten, ob sich die Standardkompatibilität der neuen Engine wirklich verbessert hat. Und wenn, ob sie sich entscheidend verbessert hat. Sehr positiv ist, daß eine komplett neue Engine entwickelt wurde. Nützlich finde ich auch die Idee, die IE7-Engine mitzuliefern, sodaß man in einen alten Modus switchen kann, wenn eine Seite zerschossen wurde. Diese Idee hätten sie auch beim IE7 haben sollen. Zusätzlich zum Switch im Browser gibt es das neue Meta-Tag, das es den Autoren ermöglicht, die Änderung der Rendering Engine zu erzwingen. Eine gute Idee. Die erste Version dieser Idee war schlecht, da mußte man dann dem Browser explizit mitteilen, daß er ein IE8 ist – sozusagen Opt-In. Opt-Out ist besser.

Machen wir uns nichts vor: der IE wird von Menschen genutzt, die das Web nur nutzen wollen. Die wissen nicht, welche Technik sich im Hintergrund abspielt, sie wollen es auch nicht wissen. Es interessiert sie nicht, daß der alte IE schlecht programmiert war. Er ist einfach ein Browser für sie. Wenn nun also eine Seite zerschossen aussieht, suchen diese Nutzer wahrscheinlich eher den Fehler beim Webentwickler, als beim Browser. Da kann es uns nur entgegenkommen, wenn es diesen „mach-mal-heile-Button“ gibt.

Microsoft hat in der Vergangenheit den strategischen Fehler begangen, sich in seinen Entscheidungen komplett nach den großen Unternehmen, also den eigenen Kunden zu richten. Sie haben nie einen größeren Gedanken daran verschwendet, was ihre Entscheidungen für den Endnutzer oder gar das Internet insgesamt bedeuten. In manchen Details sieht man diese Entscheidung auch heute noch.

Die Bewegungsunfreudigkeit vieler großer Unternehmen erhält derzeit den IE6 noch am Leben. Wenn diese sich vielleicht nach einiger Zeit endlich darauf eingestellt haben, ihre Intranetseiten und -applikationen auch für den IE7 lauffähig zu machen, dann kann es sein, daß diese nun auf dem IE8 nicht mehr gut funktionieren. Wenn man nun für einzelne Seiten einen „Weg zurück“ nutzen kann, fällt es einigen Admins sicherlich leichter, auf den IE8 upzudaten. Damit ist uns allen geholfen. Im Nachhinein betrachtet hätte Microsoft diese Idee schon bei der Einführung des IE7 kommen sollen.

Der IE8 glänzt neben einer neuen Renderingengine, deren Qualität noch zu überprüfen ist, mit neuen Features. Es ist in diesem Zusammenhang irrelevant, ob es sich dabei um generell neue Features handelt oder ob man sich nur an die anderen Browser angepaßt hat. Die Tatsache alleine, daß der Browser mehr Features und ein interessanteres Handling bekommt, ist positiv genug.

Ein neues Feature des IE sind die sogenannten Activities. Activities sind so eingebunden, daß sie auch mit ausgeschaltetem JS bzw. ActiveX funktionieren. Das ist gut, weil die Funktion pfiffig ist. Activities können selber erstellt und in einer Galerie öffentlich frei zur Verfügung gestellt werden. So kann man beispielsweise eine Adresse in einer Webseite markieren und per Activity in LiveMaps oder GoogleMaps anzeigen lassen. Es ist auch möglich, einen Produktnamen zu markieren und per activity bei amazon oder ebay danach zu suchen.

Eine sehr gute und wichtige Neuerung ist die weitestgehende Entkoppelung von Tab und Browser. Beide sind nur noch lose miteinander verbunden. Nun kann keine Seite mehr den kompletten Browser abstürzen lassen. Es stürzt, wenn überhaupt, nur das Tab selber ab. Das ist ein Segen für alle Nutzer.

Seine Privatsphäre kann der Nutzer nun relativ einfach ein bischen mehr schützen, indem er ein Fenster im Modus „InPrivate Browsing“ fährt. Es wird dann keine History und sonsgtige Daten gespeichert. Auch Cookies werden nur im RAM, nicht auf der Festplatte abgelegt. Wird die Browserinstanz geschlossen, verschwinden auch die Cookies. So werden keine Spuren auf dem lokalen Rechner hinterlassen. Der Browser wird damit aber nicht zum Tarnkappenbomber, denn die Verbindung selber wird ja nicht camoufliert. In den traditionellen Medien wurde der IE8 durch dieses Feature zum „Porno-Browser“ gemacht. Das zeigt mal wieder, daß Journalisten nicht immer Ahnung von dem haben müssen, was sie so schreiben. Sie können es auch mal vollkommen falsch darstellen.

Ein wenig ärgerlich ist, daß das Thema Standards hoch auf der Agenda steht, in einem Detail dieses Thema allerdings ein wenig mit Füßen getreten wird. Die Activities sind nichts anderes als die Einbindung des Mikroformates hAtom. Die einzige Abweichung ist ein geänderter Klassenname im alles umgebenden DIV. Der kann nicht ernsthaft funktionsnotwendig geändert worden sein. Man gibt zwar selber zu, daß man auf hAtom aufbaut. Aber anstatt einfach das Mikrofomat einzubinden und damit Browserfunktionen zu verbinden, entschied man sich für diese Abwandlung. Das widerspricht dem Mantra der Standardunterstützung. Man hat davon auch keinen Vorteil, denn knapp zwei Wochen nach der Vorstellung dieser neuen Funktion in der ersten Beta gab es schon ein entsprechendes FF-Plugin. Was soll das also?

Die Suchfunktionen innerhalb des Browsers sind pfiffiger und anpassbarer geworden. Es stellt sich dabei aber noch ein Rechteproblem. Wenn Bilder in die Darstellung der Suchergebnisse hochgereicht werden, dann werden sie in einem Kontext dargestellt, für den keine Rechte erworben wurden. Da gilt es also gerade für die Suchmaschinen und Newsseiten, neue Verträge zu schließen, damit die Suchergebnisse wirklich interessant und neuartig werden. Das ergänzt die Erkenntnis, daß das Internet immernoch ein juristisch falsch oder mangelhaft geregelter Raum ist. Die Gesetzgebung hält nicht mit der technischen Entwicklung Schritt. Die Rechtsprechung sowieso nicht.

Microsoft hat in vielen Details der Bedienung und der Sicherheit des Browsers gute bis sehr gute Ideen gezeigt. Offenbar macht man sich wieder sehr ernsthafte Gedanken über den Browser als Produkt. Microsoft hat noch schwer an der Bürde des jahrelang stiefmütterlich behandelten IE6 zu tragen. Vor allem aber haben wir Frontendentwickler diese Bürde zu tragen. Der Unmut der Entwickler ist bei Microsoft angekommen. Er wurde in die korrekten Bahnen gelenkt. Die richtigen Schlüsse wurden gezogen. Mittlerweile spricht man auch sehr offen mit Entwicklern, mit der sogenannten Community. Bei allem Ärger über den IE6 sollte man das anerkennen. Der IE6 ist mittlerweile kein primäres Microsoft-Problem mehr. Ginge es nach Microsoft, würden alle User eher gestern auf den IE8 (und auf Vista) umstellen. Leider tun dies gerade Firmen sehr langsam, manche scheinen sich regelrecht zu sperren. Es ist also die Frage, warum die Firmen das Update nicht wagen. Sie halten damit die weitere Entwicklung des Internet auf, bremsen es aus.

Ich beginne langsam, Microsft wieder ernstzunehmen. Es bleibt abzuwarten, was die Tests über die neue Renderingengine sagen. Vollkommen unbeachtet von den meisten Frontendentwicklern die ich kenne, hat sich mittlerweile eine große Informationssammlung bei Microsoft gebildet. Sowohl MSDN als auch damit verbundene Blogs scheinen recht interessant zu sein. Man muss diese Firma und ihre Produkte nicht lieben, aber man muss ihre Bedeutung nerkennen. Da scheint es mir logisch, Infos aus erster Hand zu suchen. In der nahen Zukunft werde ich mich wohl ein wenig intensiver mit dem IE-Bereich bei MSDN als auch dem Blog von Kay Giza auseinandersetzen. Das IE-Blog aus Redmond ist eh Pflicht.

Nachtrag: Geek and Poke hat eine interessante Sicht auf den „Porno-Mode“ 🙂

6 Kommentare

  1. Du hast die Webslices nicht erwähnt, in denen sich auch ein ganzes Stück hAtom wiederfindet. 😉

    Mich ärgert etwas, dass auch bei den neuen Features manchmal die alte MS-Denke durchblitzt.

    So wird im msdn für Seiten mit Webslices vorgeschlagen, dem Body eine ID oder Klasse zu geben und ihn darüber per CSS anzusprechen, damit man ihn vom generierten Body der Webslice-Vorschau unterscheiden kann (*). Da wird das Problem IMHO unsemantisch aber Microsoft-typisch von hinten angegangen statt dafür zu sorgen, dass der browsergenerierte Body gezielt ansprechbar wird. Von den massiv propagierten Inline-Styles gar nicht zu reden.

    Schade, bei einem neuen Feature und angesichts des Standards-Mantras hätte man es auch gleich *richtig* machen können.

    *) http://msdn.microsoft.com/de-de/library/cc196992(en-us).aspx#_preview2

  2. so schön die ganzen von microsoft zugelassenen nachrichten auch sind, ich glaube noch immer nicht an einen browser für das 21. jahrhundert aus dem hause microsoft:
    http://winfuture.de/news,41940.html

  3. „Ginge es nach Microsoft, würden alle User eher gestern auf den IE8 (und auf Vista) umstellen. Leider tun dies gerade Firmen sehr langsam, manche scheinen sich regelrecht zu sperren. Es ist also die Frage, warum die Firmen das Update nicht wagen. Sie halten damit die weitere Entwicklung des Internet auf, bremsen es aus.“
    Was soll Vista in diesem Zusammenhang. Es gibt mehr als gute Gründe warum man Vista nicht installiert und warum so viele Firmen und Privatmenschen keinen Sinn in Vista (auch gegenüber 2000 und XP) sehen.
    Beim Thema IE stimme ich dir zu, aber Vista…?

  4. @Kaiuwe: Aus Deiner und meiner Sicht ist die Ablehnung von Vista korrekt. Aber ist es nicht vergleichbar, daß wir liber mit einem sechs Jahre alten Betriebssystem arbeiten, als mit einem modernen? Gut, bei den Browsern kann man das leichter korrigieren und man benötigt keinen neuen rechner dafür.

    Aber aus Sicht der Hersteller ist es doch logischerweise so, daß man immer das Neueste nutzen soll. Sonst machte es ja keinen Sinn, was Neues zu produzieren. Nur das wollte ich damit sagen. Adobe sieht sicherlich auch keinen Sinn darin, daß ich Photoshop 6 oder 7 nutze. Dabei reichen die ja vollkommen 🙂

  5. Hallo und guten Morgen Jens,
    vielen Dank für den netten Blogeintrag, ich würde mich sehr freuen, wenn wir weiterhin in Kontakt bleiben würden. Ich wollte Dir noch die URL http://www.msdn-blog.de weiterleiten, wir hatten darüber gesprochen.

    In diesem Sinne,
    Grüße aus München,
    viele Grüße Kay

  6. @Jens
    So herum gesehen – also aus Sicht der Hersteller – hast du natürlich recht.