EU-weite Richtlinien für Barrierefreiheit

Die für Kommunikation zuständige EU-Kommissarin Viviane Reding möchte EU-weit einheiltliche Regeln für barrierefreie Webseiten. Das ist eine prima Idee. Es ist ihr zu wünschen, daß sie das Ziel schnell realisiert bekommt.

Die traurige Realität ist ja, daß das W3C sehr lange für die Verabschiedung der WCAG2 benötigt hat und die Fachwelt damit jetzt eigentlich ganz zufrieden ist. Trotzdem schafft es Deutschland nicht, einfach wie Österreich die WCAG2 als Norm zu übernehmen. Unsere Politiker und Bürokraten müssen wieder eine Extra-Wurst braten. Bevor sie die braten, wollen sie sie aber offenbar erst selber herstellen.

Bald feiert die WCAG2 ihren ersten Geburtstag und es sieht nicht danach aus, als bekämen wir vorher eine BITV2. Damit ist niemandem geholfen. Auch nicht den ganzen Behindertenverbänden, die jetzt noch ihre Partikularinteressen durchsetzen möchten, was sie im W3C-Prozess anscheinend versäumten. Denn je länger wir auf eine BITV2 warten, umso länger existiert die längst veraltete BITV fort.

Manchmal wünsche ich mir ein vernünftiges Machtwort aus Brüssel. Ich darf doch mal träumen, oder?

1 Kommentar

  1. Die traurige Realität ist ja, daß das W3C sehr lange für die Verabschiedung der WCAG2 benötigt hat

    Können wir das Märchen mal vergessen? Ja, die WCAG2 hat länger gedauert, aber auch deshalb weil man irgendwann noch einmal fast ganz von vorne beginnen musste, weil sich die Webdesigner erst gemeldet haben als es 5 vor 12 war. Sonst hätte das viel früher veröffentlicht werden können (Der Standard wäre aber auch ein schlechterer.) Und die Prinzipien haben ja auch nicht erst zum Stichtag im letzten Dezember Gültigkeit erhalten, sondern waren ja vorher schon anwendbar (ähnlich wie es jetzt auch mit HTML5 geschieht und mit CSS 2.1 – da fragt keiner nach der Unterschrift von TimBL).

    Nichtsdestotrotz ist eine schnelle Umsetzung der Richtlinien in den einzelnen Ländern Pflicht, die WCAG2 nimmt dabei in den nächsten Wochen eine der größten Hürden, die es in diesem Prozess gibt, das ist die autorisierte Übersetzung. Es bleibt dann zwar einer Kommission überlassen, ob sie zugunsten von Einzelinteressen einzelne Punkte der WCAG2 aufweicht – von Interessensgruppen, die sich vorher fast 8 Jahre nicht um den WCAG-Prozess gekümmert haben.

    Aber was nutzt uns die beste BITV2, wenn sie einfach nicht umgesetzt werden muss, weil sie für niemanden bindend ist. Selbst wenn der Bund im nächsten Jahr eine Verordnung bekommt, muss diese von den Ländern übernommen (und, ist ja klar, weiter aufgeweicht) werden. Und die Geschwindigkeit in der das geschieht liegt etwa bei 1/10 W3C 🙂

    Aber selbst dann gilt sie ganz begrenzt nur für öffentliche Anbieter, nicht für private. Und der einzelne Betroffene kann sich nichtmal gegen eine vorhandene Diskriminierung wehren, wenn sie auftritt. Er muss eine Verbandsklage anstrengen, das heißt der Verband muss seine eigenen Geldgeber verklagen. Das passiert nicht. Es gibt drei klare Forderungen:

    1. Für alle Länder der EU und auch in Deutschland muss die identische WCAG2 gelten.
    2. Diese Verordnung gilt für alle öffentlichen und privaten Webseiten, die ein kommerzielles Interesse verfolgen.
    3. Wenn ein Angebot nicht barrierefrei ist, muss es die Möglichkeit geben neutral mit dem Anbieter in Kontakt zu treten, in Form einer Schlichtung. Eine gescheiterte Schlichtung ist Voraussetzung für ein Verfahren.

    Die BITV, wie sie jetzt existiert, schließt mehr aus als ein, es ist wichtig einen Schritt nach vorne zu gehen.